Robin
Es ist kaum zu glauben, wie Menschen ihren "treuen Freund" herunterkommen lassen können......
In der beziehung übertraf Pudelmischling Robin alle seine Artgenossen. Als zwei Polizisten ihn hereinführten, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Das Tier hatte keine Beine , die man als solche erkennen konnte . Gesicht ,Schnauze,Ohren ; alles war ein unförmiger Klumpen. Und der Hund war unwahrscheinlich lang . In Wirklichkeit war das ,was man auf den ersten Blick für sein Hinterteil gehalten hatte , nur eine große Filzplatte. Wie er hatte fressen ,oder das Gefressene wieder loswerden können,ist mir bis heute ein Rätsel.Beim laufen trat er mit den Hinterfüßen auf die Zotteln der Vorderbeine. Überhaupt hatte ich noch nie einen Hund so breitbeinig und staksig gehen sehen . Der Pudelmischling war aus Dreck , Kot,Filz und was weiß ich noch alles zusammengesetzt. Das ganze wirkte wie in Pattex getränkt.
Einen Besitzer ,den man hätte zur Verantwortung ziehen können, gab es nicht mehr. Den Nachbarn war ein unangenehmer Geruch aufgefallen .Als dieser unerträglich wurde, alarmierten sie die Polizei. Den Männern,die mit so vielen Scheußlichkeiten konfrontiert werden, bot sich ein erschreckendes Bild. Der Mann lag tot; und um es milde auszudrücken nicht mehr ganz frisch am Boden. Neben ihm kauerte der völlig entkräftete Robin .
Da lebt über jahre ein Hund in erbarmungswürdigem Zustand ,und niemandem fällt es auf. Da stirbt ein Mensch und niemand vermißt ihn..... In was für einer Welt leben wir eigentlich ????
So schlecht Robins Allgemeinverfassung auch war ; eine sofortige Schur war unumgänglich . Langsam ; und nur mit Hilfe einer kräftigen Spezialschere arbeitete ich mich bis auf die Haut vor. Die Filzplatten waren hart wie Steine und fast ebenso schwer. Robin kam abends ;gegen sechs Uhr. Um halb elf erst legte ich die Schere,die inzwischen verklebt und schmierig war , aus der hand. Der Hund schien um die Hälfte zusammengeschrumpft und ganz erstaunt,daß er ungehindert die Schnauze öffnen,und die Beine bewegen konnte . Die ganze Zeit hatte er keinen Muks von sich gegeben ; hatte unendlich geduldig die unangenehme Prozedur über sich ergehen lassen. Jetzt sackte er regelrecht in sich zusammen . Ich legte ihn in mein Bereitschaftszimmer , wo er noch etwas Kraftnahrung leckte und dann lange und tief schlief.
Die Schmutzexeme ,die bei einer derartigen Verwahrlosung selbstverständlich waren , heilten schnell ab. Auch war der kleine Kerl bald nicht mehr dürr wie ein Windhund ,sondern setzte ein richtiges Bäuchlein an . Das Fell erholte sich weit weniger rasch . Es dauerte Monate , bis aus immer schuppig und filzig wirkenden Wirren glänzendes gekräuseltes Pudelhaar wurde. Tiere ,die dem Schönheitsideal der Menschen nicht entsprechen , müssen immer wieder zusehen , wenn Andere abgeholt werden . Viele Hunde bekamen ein Zuhause ; er blieb immer wieder zurück. Dazu war er schon ein älterer Herr ,was es nicht gerade leichter machte . Fast ein Jahr dauerte es, bis auch er endlich an der Seite eines jungen Pärchens einem neuen Leben entgegen marschierte.
Im Deckel meines Pflegekoffers sind zwei Bilder eingeklebt. Das eine zeigt eine jammervolle unförmige Gestalt ; das andere einen ; zwar alten , aber stolz und aufrecht dastehenden Pudel mit schwarzen seidigen Locken. Und wann immer jemand diese Bilder sieht ,und sagt ,er könne nicht glauben ,daß das ein und derselbe Hund sei,bin ich ein klein wenig stolz ;o)